Dienstag, 17. November 2020

Wäscheverbot

 

Wer meine Tochter kennt oder meine Geschichten verfolgt, weiß eines über sie ganz genau: sie liebt es sich umzuziehen. Vielleicht liebt sie es nicht nur sich umzuziehen... meine Theorie hinter dem Ganzen ist letztlich, dass sie es liebt, wenn ich Wäsche wasche. Vielleicht liebt sie es nicht, dass ich Wäsche wasche, sondern vielleicht liebt sie es, wenn ich beschäftigt bin . Arbeitsbeschaffungsmaßnahme?! Wer weiß , wer weiß. Jedenfalls zieht sie sich grob geschätzte 4 Mal am Tag um. Von warm auf kalt, von kurz auf lang, von Rock auf Hose, dann auf Kleid und dann wieder auf Hose, ach Strumpfhosen nicht zu vergessen. Von „Tanzkleidung“, zu „Ballerina-Kleidung“ (Ja, die tragen ganz unterschiedliche Klamotten, hab ich mir neulich fachmännisch erklären lassen), zu Sport-Kleidung, zu „Gemütlich-Kleidung“ ach ja und mein Favorit: „Aufräumkleidung“, also Kleidung die man nur trägt, wenn man aufräumt , um sich danach wieder in „normale Kleidung“ zu werfen. Das Thema ist ganz kompliziert . Für jedes Outfit hat das Kind übrigens auch passende Schuhe auserkoren.

Und wenn es gerade augenscheinlich keinen Grund für einen Kleidungswechsel gibt, erfindet sie den perfektesten Grund: Dreck . Oder noch einfacher: Wasser. Ein Wasserfleck in der Größe eines Fingernagels (ihres Fingernagels.... ), wer wüsste es nicht, kann eine 4-jährige zur Verzweiflung bringen. Es bringt sie um den Verstand und es ist jawohl der triftigste Grund die Kleidung zu wechseln. Und zwar SOFORT! SOOOOOFORT! Hilfe, Wasser auf der Kleidung. Der Untergang naht. Wenn sie Kleidung wechselt, schmeißt sie die „alte“ Kleidung (sie ist ja schließlich getragen....) sofort in die Waschmaschine. Da das Mädchen in Sachen Kleidung schon mit einem Jahr selbst entscheiden WOLLTE (und der Wille war groß), ist das noch heute so und die Vorstellungen ihrer Kleidungskombinationen sind ausgeprägt. Wen wundert es, dass am Ende eines jeden Tages ein Nervenzusammenbruch ins Haus steht, weil ihr Kleiderschrank leer ist, oder aber nicht mehr das beinhaltet, was sie gerade für notwendig hält. Ich hingegen verbringe zumeist Teile des Abends damit, ihre „dreckige“ Kleidung wieder aus der Waschmaschine zu nehmen, um diese dann UNGEWASCHEN wieder in ihren Kleiderschrank zu schmuggeln.


Soweit, so nicht gut.


Eines Tages trug es sich wie folgt zu :

Es war irgendwann im Spätsommer und auf Grund mangelnder Geduld und leichter Überforderung durch Wäscheberge ,meinerseits , rufe ich wiedermal ein Wäscheverbot aus. Ein Wäscheverbot ist meine grandiose Erfindung. Der Name besagt was es bedeutet... An dem Tag akzeptiere ich keine Wäsche. Großartige Sache.... eigentlich . Nicht jedoch, wenn das oben im Detail beschriebene Mädchen.... beim Mittagessen KETCHUP auf das wunderschöne Kleidchen kleckert...Ein Fleck, kaum sichtbar und doch in ihren Augen.... ein riiiiiiiiiiiiiiiiiiiesiger Schandfleck. Tja. Das ist ein schlimmer Moment. Sie weiß was es bedeutet, ich weiß es auch … wir gucken uns an. Ich schaue verlegen auf den Boden.... sie stellt die Frage aller Fragen, dessen Antwort ihr bereits klar ist: „Darf ich mich nun umziehen?“ Ich antworte: „Nein, leider nicht. Heute ist Wäscheverbot.“ Sie trägt es mit Fassung.... was in in dieser Situation bedeutet: Sie fragt alle 5 Minuten erneut die gleiche Frage und bekommt alle 5 Minuten die gleiche Antwort. Hmm Geduld, Geduld, Geduld. Nunja. Ahhhhhh.

Ich gehe raus, fliehe vor der Frage, fliehe vor dem Mädchen und entscheide mich den Pool abzubauen :


Ich genieße die Ruhe. 10 Minuten. Und plötzlich kommt sie angestapft. Zielstrebig , selbstsicher. Ich bekomme Angst vor meiner eigenen Tochter. Sie ist noch ca. 10 Meter entfernt und ich rufe präventiv ein „ NEEEEEEEEEEEEEEEIHEIN“ ins Leere. Sie kommt an und grinst: „Ich will doch gar nicht fragen, ist ja Wäscheverbot.“ Wow. Diese Einsicht. Ich bin begeistert. Stattdessen die widererwartende Frage: „Kann ich dir helfen?“ Ich bin noch mehr begeistert und stimme frohen Mutes zu . Und in diesem Moment hätte mir klar sein sollen, dass da was nicht stimmt. Es war mir aber nicht klar und so nimmt es weiter seinen Lauf, in dem zwei engagierte Personen barfuß in dem bereits zu 95 % entleerten Pool stehen und mit Besen im ca. 10 cm hohen Wasser den Boden reinigen.

Ich bin mir sicher, den meisten Lesern ist klar, was jetzt passiert?

Das engagiert wirkende Mädchen schrubbt nämlich nur wenige Sekunden und auch in Wirklichkeit nur wenig engagiert. Sie guckt mich noch an und schwupp, besser hätte ich es nicht performen können, holt sie aus, um dann ein Ausrutschen vorzutäuschen. In ihrer Fantasie sollte es so aussehen, als würde sie ausrutschen , sodass ihre Füße voran in die Luft fliegen und sie mit dem Po zuerst in dem Wasser landet. In der Realität jedoch hat sie zunächst kurz mit den Füßen gezappelt, um sich dann langsam ins Wasser sinken zu lassen.

Ich beginne zu lachen . Wir lachen zusammen . Und dann kommt der Satz, der mich sprachlos werden lässt: „Mama, das ist aber schade, jetzt bin ich ja ganz nass und ich werde mich erkälten. Und dabei ist ja Wäscheverbot.“ In der Tat... die Wassermassen, sind nun definitiv schlimmer als der kleine Ketchup-Fleck. Da kommt die zusätzlich verräterische Frage (die ich wirklich lange nicht mehr gehört hatte) hinterher:

„Mama, darf ich mich nun umziehen?“

Ahhhh, was kann ich tun ?! Ich muss als Gewinner aus dieser absurden Situation kommen . Der SOS-Plan auf die Schnelle erscheint mir ausgebufft : „Klar darfst du dich umziehen. Du wirst ja sonst krank. Aber da ja leider Wäscheverbot ist.... hab ich eine Idee! Du suchst dir jetzt gaaanz schicke Klamotten heraus und diese Klamotten ziehst du dann aber auch Morgen in den Kindergarten an. Also vielleicht schaffst du es ja, dass sie sauber bleiben!“

„Haaaaa. Der hat gesessen“ Denke ich mir so .

Ihre Antwort: „Kein Problem. Was soll denn Morgen für ein Wetter werden ?!“Die Sinnhaftigkeit dieser Frage soll noch verheerende Auswirkungen haben , wie sich raus stellt. "Morgen wird es heiß“ , sage ich belanglos dahin und arbeite weiter.Wenige Minuten später kommt die kleine Dame wieder angelaufen . Da ist er wieder …. dieser Gang: Selbstsicher, siegessicher, fordernd.... fast schon beängstigend. Sie steht vor mir! Sie will dieses Spiel gewinnen. Sie trägt den dicksten Winterpullover, den ihr Kleiderschrank hergibt, für eine Wetterprognose von 27 Grad … definitiv falsch gekleidet. Dann die provozierenden Worte: „ Seh ich nicht wirklich schick aus , Mama?“ Ich bejahe das ganze schmunzelnd. Ich weiß, dass sie gewonnen hat. Sie weiß es auch. Und da ist er der Schach-Matt-Satz:

„ Aber Mama.... So kann ich doch Morgen nicht in den Kindergarten gehen, das wird ja viel zu heiß werden, mit so einem dicken Winterpullover.“

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