Ich finde die aktuelle Situation sehr beängstigend und weiß,
wie viel Arbeit (unter erschwerten Bedingungen) die meisten aktuell leisten
müssen und wieviel Leid (in den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens) diese
Krankheit bringt. Ich bin unendlich dankbar dafür, dass ich aktuell „nur“ in
der Lage bin, die Zeit zu Hause mit sozialer Isolation einigermaßen unbeschadet
zu überstehen:
Ich bin mittlerweile 5,5 Wochen zu Hause und ich betone es
gerne nochmals: Nur zu Hause!
Ja, ich gebe zu: Am Anfang dachte ich noch die Krise würde
mich in meine persönliche Krise katapultieren. Ich malte mir einen wesentlich
erhöhten Alkoholkonsum aus und überlegte, welches Fenster sich für einen Sprung
in die Tiefe am besten eignen würde. (Keines… Das Haus ist einfach nicht hoch
genug). Doch irgendwie kam ziemlich zügig alles anders, als ich dachte. Ich
bemerkte schnell wie gut uns diese Situation tut. Uns als Familie, aber eben
auch jedem Einzelnen.
Denn wir haben auf einmal etwas, was im täglichen Wahnsinn
verloren geht. Wir haben Zeit. Zeit miteinander und Zeit füreinander. Und
zusätzlich hat jeder noch Zeit für sich. Auch nicht zu verachten.
In dieser Familie gibt es seit fast 6 Wochen kein Gehetze
mehr. Alles läuft ruhig und gelassen und das Tempo ist egal. Hatte ich mich
noch vor einiger Zeit ungeduldig an einen Spaziergang gemacht, der auf Grund
der Entdeckerfreude und akuten Unlust weiter zu gehen oft eine Zerreißprobe
wurde, weil 1 km schlicht weg 1 Stunde dauerte. Wir uns also im Schnitt mit 1
km/h voran bewegen…,
so ist es mir nun egal. Ich habe ja die Zeit. Sollen die Kinder doch zum hundertsten Mal
wegen einem Gänseblümchen stehen bleiben, ich schau mir derweil die Wolken an
und genieße die Ruhe. Ich habe ja auch keinen Stress. Ich muss nicht zum
nächsten Termin, zum Sport, oder sonst wo hin und zu mir kommt auch keiner. Es
ist mir völlig egal, wann die Kinder ins Bett gehen und wann es dem zu Folge
Abendessen gibt, weil am Morgen schließlich keiner super gestresst die Kinder
(meist gegen ihren Willen) fertig machen muss, damit jeder seiner Dinge
nachgehen kann. Es ist egal. Genau so ist es mir mittags egal. Wann und ob wer
wo schläft?! Es wird gegessen, wenn wir hungrig sind und es wird geschlafen,
wenn wir müde sind. Fertig. Kein Gehetze. Ist das nicht wahnsinnig positiv?!
Und wenn wir uns für Frühstück entschieden haben, das kleine Mädchen aber
vorher so gerne noch mit alle Mann einen Stuhlkreis machen will…, ja dann wird
eben ein Stuhlkreis gemacht. Warum auch nicht. Wir haben Zeit und keiner hetzt
uns. Der Stuhlkreis an sich ist für mich dann sowieso so amüsant, dass es eh
viel besser ist, als Frühstücken. Eine Dreijährige mit einer Erzieherin als
Mutter und zwei lieben Erzieherinnen als Vorbildern… da kommen Stuhlkreise bei
rum, das glaubt man nicht. Und während der Mann, der nebenbei bemerkt ja auch
Erzieher ist, im Stuhlkreis gähnend von sich gibt, dass er während der
Ausbildung beim Stuhlkreis schon immer eingeschlafen sei, ermahnt die Tochter
man möge bitte leise sein und nicht quatschen. Es wird dann auch nicht nur ein
Spiel gespielt. Sie holt ihr gesamtes Repertoire hervor und mit nur 4
Teilnehmern, wovon einer die Regeln auch immer nur so semi-gut versteht, ist
ein Spiel nun mal auch schnell zu Ende.
Am Anfang hatte ich große Sorge, dass ich die Kinder nicht
beschäftigen könne. Was soll ich sagen? Sie beschäftigen sich selbst. Oder wir
machen halt einfach tolle Dinge zusammen.
Und weil der Mann sich zu Beginn der Krise als Ausgleich
einen Bagger lieh, um unseren Garten mit viel Spaß und zerstörerischer Wut,
vollends in sämtliche Einzelteile zu zerlegen, so sind wir nun zu viert damit
beschäftigt uns ein Paradies zu schaffen. Unser Paradies. (Noch ein Vorteil von
Corona: Es kommt einfach keiner in unseren Garten … ohhh! Das kann auch
Entlastung sein…. Muss man sich schließlich nicht für 1 Meter tiefe
Baggerspuren schämen, sieht ja keiner.) Und die Kinder? Helfen mit. Oder sie
spielen in der schwarzen Erde: „Schwimmbad“. Eine Freude für jedermann. Wenn
blonde Haare schwarz-grau sind, weiß man, dass der Tauchgang funktioniert hat.
Und gestern? Als wir so einen Zaun bauten, flogen zwei kleine Kinder verkleidet
mit einem Umhang durch den Garten. Badman und Eulette. „Braucht ihr Hilfe?“,
fragten sie alle zwei Sekunden. Nein brauchten wir natürlich nicht. Ihre Hilfe
bestand schließlich nicht darin uns wirklich zu helfen, sie wollten Gangster
verjagen. Damit konnten wir nicht dienen.
Habe ich eigentlich erwähnt, dass ich auch so wahnsinnig
viel Zeit habe, weil ich mein Haus nur noch dann putze, wenn ich selbst Lust
dazu hab!? Allein dafür möchte ich Corona einfach mal danken. Es kann einfach
keiner unangemeldet kommen und entlarven, wie es bei mir aussieht, wenn ich
eben nicht gerade geputzt habe. Ich weiß ganz genau, dass es 99 % der Frauen so tun, auch wenn sie es nicht zugeben: Sie putzen, wenn jemand sich anmeldet zu
kommen. Oder sie putzen, aus Sorge, dass jemand unangemeldet kommen könnte. Was
das allein für einen Stress auslöst ist unbeschreiblich. Zack. Corona. Stress weg…
Kommt keiner. Das Putzen kann mich mal. Es sei denn …ich habe Lust dazu. Und
das kommt auch manchmal vor. Ich erinnre mich noch genau an einen Tag. Also
welcher Tag es nun genau war, weiß ich nicht, ich habe schließlich jegliches
Zeitgefühl verloren. Würde Matthias Grothe auf der Seite vom Landkreis Leer mir
nicht jeden Tag fleißig erzählen, was so Corona-mäßig los ist, hätte ich schon
längst alles um mich herum vergessen. Jedenfalls war es ein Tag, an dem unser
Wohnzimmer derart im Chaos versunken ist, dass man sich seinen Weg zum Sofa
quasi ergraben musste. Überall lagen diverse Dinge unter anderem hölzerne Dominosteine. Und der kleine Mann
machte sich daran jedem einen Stein in die Hand zu geben. Und da saßen wir nun
zu viert auf dem Sofa… Jeder einen hölzernen Domino-Stein in der Hand und als
ich fragte: „Und nun?“, erklärte die Tochter ganz selbstverständlich: „Wir
müssen nun alle unsere Schilder hochhalten und so laut wir können „STOOOOOPP“
rufen. Nun gut. Das taten wir. Diese Aktion war so sonderbar, dass wir nach
unserem Stopp-Schrei nicht mehr aus dem Lachen rauskamen. Es Folgten unendlich
viele Stopp-Schreie im Chor und eine ganze Familie war ziemlich lange
beschäftigt…im Chaos…ohne Putzen…ohne Stress.
Und heute Morgen erst: Ich war im Bad und wollte gerade ein
bisschen Putzen…: da hörte ich den Rest der Familie singen: „Es regnet, es
regnet, die Erde wird nass!“ Kurz schien
mir mein Putzen noch interessanter, aber dann kam die kleine Dame in
Gummistiefeln mit ausgeklapptem Regenschirm bei mir angelaufen: „Mama? Wir
feiern eine Regenparty. Kommst du auch?“
Aus dem Hintergrund rief der Mann: „Sag Mama, dass sie einen Regenschirm
mitbringen muss.“ Ich fand das so süß, dass ich mein Putzen sein ließ und mich
auf den Weg ins Wohnzimmer machte und siehe da?! Da stand sie, meine Familie
mit ausgeklappten Regenschirmen und Gummistiefeln. Und so machten wir unsere
Regenparty… mitten am Morgen, im Haus, ohne Regen und unsere kleine
Profi-Erzieherin gab stets den Ton an, welche Lieder wir zu trällern hatten und
wie die Regenschirm-Choreografie dazu auszusehen hatte.
So ist also MEIN Corona-Alltag. Ein Alltag, in dem die Zeit
mehr im Vordergrund steht als das Geld, ein Alltag in dem das Miteinander als
Familie so groß geschrieben wird, wie vermutlich nie wieder. Ich muss sagen: so
lange ich gezwungen bin, tauche ich sehr gerne ab in diese sonderbare
Corona-Welt. Und schließlich versuche ich, wie jeder…. aus dieser
Krisen-Situation nur das Beste zu machen.