Die Thematik dieses Textes ist so vielschichtig, deshalb eine einfache Gliederung
1.) Der Titel
2.) Stützräder kommen aus der hippen, Mutti-Hölle
3.) Eine Fahne! (Ich nehme die brennendste Frage vorweg….wer hat so einen Blödsinn erfunden!?)
4.) Der Prozess des Erlernens
Gut beginnen wir bei 1) : Seit Wochen
geistert mir der Titel: „Wir lernen Fahrradfahren“ im Kopf herum, was an sich
so traurig ist, dass ich mich schäme es niederzuschreiben. Denn: WIR?! lernen Fahrradfahren,
ist tragisch. Ich lerne nicht Fahrradfahren . Ich kann das! Bin erwachsen. Hab
es ganz toll gelernt, vor mehr als 25 Jahren. Wer lernt also Fahrradfahren?
MEINE KINDER! Nur die. Nicht ich. Es ist eine typische Mutter- Beschreibung,
die mich seit Jahren wahnsinnig macht: „Wir kriegen grad Zähne!“ …. „Och wir
sind heute nicht gut drauf, stecken in einem Schub.“ „Wir lernen hier gerade das Krabbeln.“ … Das ist
wirklich ganz ganz toll Mutter X von Kind X, dass du nun das Krabbeln lernst.
Finde auch ganz großartig, dass Mutter Y von Kind Y soeben den ersten Zahn
bekommen hat. Also als Appell an alle Mütter und somit nun offenbar auch an
mich: Lassen wir diese Formulierung. Unsere Kinder sind eigenständige Wesen, welche nicht mit uns verschmolzen sind. Schwer
vorstellbar. Ist aber so. Also Korrektur meines eigenen Titels:
„Die Kinder lernen gerade
Fahrradfahren und ich lerne, wie man das als Mutter überlebt.“
Punkt 2): Früher lernte man
Fahrradfahren, indem die Eltern einem Stützräder an das Rad montierten. Heute
lernst du als Mutter, dessen Kinder montierte Stützräder benutzen nur eines: DU
MACHST ALLES FALSCH! Und: Die Stützräder werden vermutlich dazu führen, dass
dein Kind NIEMALS Fahrradfahren lernt. Das ist tragisch. Zudem lernst du als
Mutter noch, dass du gescheitert bist. Der Weg ist schließlich gaaannz einfach:
Das Kind muss das Laufrad-Fahren beherrschen und dann, kann man das Laufrad
durch ein Fahrrad OHNE STÜTZRÄDER ersetzen und schwupp fährt jedes Kind los. So
sagt es die neumodische Mutterbibel. Die Umstände, warum ich gerade zwei Kinder
mit Stützrad-bestückten-Fahrrädern hier zu Hause habe, sind kompliziert. Wahnsinnig
kompliziert .Nunja und da es die Mutterbibel so besagt…. Wird dieser Umstand
noch ewig anhalten, so ewig…. Dass wir wieder bei Punkt 1 sind: …. Wir lernen
Fahrradfahren. Insgeheim lerne ich nämlich mit meinen 31 Jahren auch gerade
Fahrradfahren, weil meine Eltern mir damals Stützräder montierten, sodass ich
es bis heute leider nicht gelernt habe.
Punkt 3) Eine Fahne! JA. Eine
Fahne. Ich bitte darum , möglichst viele Zuschriften zu erhalten, die mir die
Sinnhaftigkeit dieses Gegenstandes erklären können. Für mich wurde dieses Teil
ganz offensichtlich dafür erfunden, Eltern eins auszuwischen. Denn es ist so :
Wer findet Fahnen cool? Richtig: kleine Kinder, Kinder die in einem Alter sind,
in dem man das Fahrradfahren lernt. Kinder die älter sind und das Fahrradfahren
beherrschen, finden diese Teile nicht mehr cool und Kinder die jünger sind, haben
nichts mit Fahrrädern am Hut. So ….. Und nun ist es doch so, dass die Erwachsenen,
wenn die Kinder das Radfahren erlernen nebenher laufen , oder gar rennen.
(Jaja, ich weiß … bei den Laufrad- Kindern ist das so gar nicht nötig…. die fahren
einfach los und können schließlich direkt allein nach Frankreich radeln) Die
Erwachsenen laufen also und schieben manches Mal an oder helfen oder tun , was
sie tun müssen und was passiert? KLATSCH! Fahne im Gesicht. Erst von links,
dann von rechts. Denn nächste Frage: Warum hat die Fahne genau so eine Höhe,
dass sie , am Rad montiert jeder Frau mit durchschnittlicher Größe eine ins Gesicht
klatscht, oder sich gar in der Frisur verfängt?! Ganz ehrlich! Das ergibt
keinen Sinn.
Punkt 4) Der Vorgang des Erlernens
. Oder besser gesagt: UNSER Vorgang des Erlernens selbst gestaltet sich als
äußerst speziell. Der Situation geschuldet, dass unsere Kinder einen sehr geringen
Altersunterschied aufweisen…., lernen sie gerade gleichzeitig das Radfahren.
Ich musste ja die Spaziergänge in
den letzten Jahren schon mit diversen Fahrzeugen, Schikanen und Tücken
bestreiten. Aber dieses Szenario setzt dem ganzen die Krone auf. An alle diejenigen,
die mich in letzter Zeit etwas angespannt , gereizt, überfordert, hilfesuchend
meinen Weg entlang „schlendern“ sehen… es sei gesagt: Es tut mir leid. Aber ich
befinde mich in einem Ausnahmezustand. Wer sich zudem noch fragt: „Wo ist
eigentlich der Hund in letzter Zeit?“, dem sei gesagt: Er lebt noch, es geht
ihm gut, ich kann ihn nur, bei den neuesten Übungen der Kinder , auf Grund von
höchster Gefahrenstufe, nicht mehr mitnehmen. Würde ich den Hund todesmutig mit
auf unsere wilde Fahrt nehmen, wäre ich mir sicher, dass einer von uns Vieren
das Unterfangen nicht überleben würde.
Und das ist nicht übertrieben. Es
spielt sich folgendes ab:
Ich habe zwei Kinder, die
grundverschiedener nicht sein könnten. Es ist schwierig einen Spaziergang zu
bewältigen, bei dem das eine Kind tendenziell ein Theoretiker ist, während das
andere ein Praktiker (mit Hang zur Lebensmüdigkeit) ist. Dies sei ein einem
einfach Beispiel wunderbar erklärt:
Kind 1 fährt nachweislich im
Schneckentempo. Es nimmt sich vor diesmal zügig zu fahren, um nicht langsamer
als der kleine Bruder zu sein, doch dann sieht es in weiter Ferne eine Ampel.
Die Ampel ist rot.Das Kind hört auf zu treten und beginnt zu philosophieren. „Wie
lange dauert es, bis die Ampel grün wird?, Ist das immer gleich?“ „Ach , ich
zähle einfach mal.“ Es beginnt zu zählen und STEHT. Kind Nummer 2…. fährt so schnell
es kann. Es redet nicht. Es fährt nur. Nachteil: Es hört auch nicht. Einfache „Stopp-Rufe“
werden gekonnt ignoriert. Es fährt schließlich! Ich beginne zu rennen, um das
Kind einzuholen, gucke nach hinten … das Mädchen steht. Ich hole den Jungen
ein, sage er möge bitte stehen bleiben, wir hätten seine Schwester verloren.
Die Aussage wird mit „Nein“ quittiert. Er fährt weiter. Ich halte ihn am Gepäckträger
fest. Das Mädchen weit hinter uns …, beginnt zu treten. Laaangsam , aber es kommt.
Doch siehe da: Die Siedlungsstraße hat eine Erhöhung. Das Mädchen wird nooooch
langsamer, rollt den Hügel einen Zentimeter hoch und dann wieder rückwärts
runter. Sie steigt ab und erklärt, dass es nicht sinnvoll sei mit Vollgas
darüber zu fahren. Gefahrenquelle und so. Der Junge hingegen ,war so sehr mit Vollgas
über den Hügel geflogen… das war durchaus sinnvoll. Kind 1 setzt sich wieder
aufs Rad und ruft lautstark, dass es Hilfe braucht. Ich erkläre dem 300 Meter
entfernten Kind 2, dass ich kurz zurücklaufe um seiner Schwester zu helfen.
Während ich sportlich zurückrenne, fährt besagtes Kind 2 wieder los und ich
stehe in der Mitte 150 Meter von dem einen Kind entfernt, 150 Meter von dem
anderen Kind entfernt. Ich überlege, zu wem ich gehe, entscheide mich für den Kamikaze
und renne wieder zurück zu Kind 2. Und dann ? Kommt ein Auto. Ich rufe dem
Jungen zu : „ Auuuto!“ Die Antwort lautet: „Neeeehein, kommt kein Auto.“ Kind 1
schiebt natürlich sichherheitsliebend das Rad an die Seite, lässt das Auto passieren
und wartet dann auf meine Hilfe, weil diese 12 Meter- Erhöhung auf der Straße
sicherlich nicht alleine zu überwinden ist. Ich hole Kind 2 ein, schiebe es an
die Seite, lasse das Auto passieren, verschnaufe erstmal. Dann drehe ich Kind 2
um , bitte es zurück zu Kind 1 zu fahren, sodass ich helfen kann, den Berg zu
überwinden. Kind 2 gibt Vollgas, na klar… fliegt über den Hügel und crasht in
seine wartende Schwester. Er lacht. Sie weint. Ich entwirre Fahrräder und
Kinder und kriege dabei eine Fahne ins Gesicht, erst links dann rechts. Ich verfluche
diese Aktion bringe beide Kinder in Fahrtrichtung und rufe hochmotiviert: „weiter
geht’s!“
Ja… und so geht es weiter. Tag
für Tag und auf Grund der Stützräder wohl die nächsten 20 Jahre .