16:30 Uhr, Herbst, kein Regen,
Zwei übermüdete Kinder ohne Mittagsschlaf,
eine läufige Hündin (läufige Hündin= laufen ohne Leine nicht
möglich),
ein Buggy,
ein Regenschirm und
zwei hochmotivierte, erwachsene Frauen…:
Aus diesen Parametern ergibt sich: Ein zum Scheitern verurteiltes
Unterfangen.
Ein Unterfangen, was in der Theorie wieder einmal so romantisch
klang. „Ein kleiner Spaziergang.“ Es sollte sich wirklich um einen kleinen Spaziergang
handeln. Einen Kilometer genau. Das ist nichts. Eine Erwachsene Person braucht
dazu höchstens, also allerhöchstens 15 Minuten. Tja. Mit oben genannten Parametern
zieht sich sowas durchaus hin zu einer Stunde. Über diesen Umstand darf man einfach
nie nachdenken. Immer wenn ich mich frage, wo die ganze Zeit hin ist, ist eine
Antwort: Auf Zeitlupen-Spaziergängen mit Kindern hängt sie, meine ganze Zeit.
Sie sitzt neben den bockigen Kindern auf den Mauern von Hauseinfahrten…. und
will nicht weiter.
Das Wetter war gut und diese Tatsache stellte die erste
Hürde da.Die Tochter wollte ihren Regenschirm ausprobieren. Der Regen kam auch
während des Laufens nicht, die Frustration hingegen schon. Mehr muss man dazu
nicht sagen. Der Sohn war von dem gesamten Unterfangen nur so mäßig begeistert
und das hätte diese zwei hochmotivierten Frauen (Meine Mutter und mich) als Warnsignal
werten sollen. Haben sie aber nicht.
Kinder anziehen (20 Minuten), Junge in Buggy, Mädchen (mit Regenschirm)
an die Straße, Hund an die Leine, los ging es. Meine Mutter wollte den Buggy schieben und der
Junge quittierte das sofort mit seinem bitzigen: „Nein, Mama!“ Tja und so schob
die Mama den Buggy und der Hund zog die Mama. Die Oma möchte nicht von dem Hund
gezogen werden und dem zu Folge bleibt der Hund stets an der Mama hängen. Hochmotiviert,
ja wirklich hochmotiviert starteten wir. Dass die Tochter nach geschlagenen 5
Metern (Ja ich denke es war noch vor unserem Vorgarten) behauptete, dass sie nicht
mehr könne, ignorierten wir, dummerweise. Meine Mutter begann das lustige „Ein
Hut, Ein Stock, ein Regenschirm“-Spiel und zunächst war alles okay. Nach
einer Weile schlug die Tochter ein Wettrennen vor, den Regenschirm musste sie dazu
natürlich loswerden…. an mich…, der Junge begann zu zappeln und erklärte, dass
er den Buggy verlassen wolle. Gesagt getan. Beide rannten, ich schob den Buggy,
den Regenschirm und hielt den Hund. Ein Buggy, ein Hund, ein Reeeeegenschirm.
Vorwärts, rückwärts, Seitwärts, ran! Meine Mutter betrieb Schadensbegrenzung:
Keiner rannte letztlich in einen Schlot , kam vom Weg ab oder fiel hin.
Jetzt mag man denken wir seien weit gekommen. Erwiesenermaßen
hatten wir zu dem Zeitpunkt genau die Hälfte des Weges geschafft. Und dann ging
es los:
Die Tochter stand vor mir: „Schultern?“ Ich erklärte, dass
ich sie nun nicht besonders gut auf die Schultern nehme könne, mit Hund und
Buggy. Empört entschied sie sich dann für eine Fahrt mit dem Buggy. Ich erklärte,
dass große Mädchen, wie sie, gar nicht mehr angeschnallt werden müssen in so
einem Buggy. Glatte 10 Meter weiter fiel sie im hohen Bogen aus dem Buggy und war
dem entsprechend launisch. (Ich bin mir immer noch nicht ganz sicher wie genau
das passieren konnte. Ihrer Schilderung nach, war es definitiv meine Schuld.)Ich
setzte sie erneut in den Buggy, SCHNALLTE SIE AN, fuhr ein paar Meter. Der
Junge rannte noch ein bisschen und stellte dann mit Bedauern fest, dass sein
Buggyplatz besetzt war, den er eigentlich nicht haben wollte, aber laufen
wollte er auch nicht. Und wo er grad dabei war wollte er sowieso gar nichts mehr. Wütend
stampfte er auf mich zu und sagte seine süßen Worte: „Armiiii, Armiii!“, was so
viel heißt wie: "Nimm mich bitte auf den Arm und trag mich bis ich 18 bin." Oder
so ähnlich. Ich erklärte, dass ich ihn nicht tragen könne, aber er könnte auf
meinen Schultern sitzen. Meine Mutter könnte dann die Tochter im Buggy schieben.
Guter Plan. Ich hob den Jungen auf die Schultern, er zappelte sich wieder herunter:
„Armiii!“ Ich blieb hart. Er wurde sauer und plädierte auf den Buggy. Die
Tochter plädierte jedoch auf gleiches Objekt und ein handfester Streit brach aus.
Die Tochter stieg letztlich aus und …Überraschung: Der Junge NICHT ein. Beide
liefen. Wahllos, planlos, orientierungslos. In Auffahrten, in Vorgärten, überall,
nur nicht in die richtige Richtung. Tja und plötzlich, wer kennt es nicht…,
setzte die Tochter sich auf die Bordsteinkante und erklärte den Streik. Der Junge
tat es ihr gleich und da saßen sie…. Meine Kinder. Wir versuchten es lange diplomatisch,
wir diskutierten und versprachen. Wir hofften und flehten. Nichts. Es ging
nicht voran. Letztlich bot ich der Tochter also doch die Schultern an, während
der Sohn mit dem Buggy vorlieb nehmen sollte… aber nicht wollte. Er rannte weg.
Meine Mutter hinterher. Die Tochter hatte noch kluge Worte im Gepäck. Worte
über die Sinnlosigkeit seines Verhaltens. Worte über die Taten des kleinen Jungen,
die sie als große Schwester und überhaupt großes Mädchen, quasi erwachsene
Frau, nicht nachvollziehen könne,
ja ne, ist klar!?
Als meine Mutter den Jungen gefangen hatte, setzten wir ihn
schließlich in den Buggy, und das Mädchen nahm auf meiner Schulter Platz. In
meiner Hand der Hund. Der Junge schrie seine Wut durch die Nachbarschaft. Der Regenschirm, auf dem Buggy wackelte bedenklich. Wir erhöhten
unser Tempo maßgeblich, was durchaus einige Herausforderungen bedeutete. Alle
zwei Meter hielt die Tochter mir wahlweise die Augen zu oder wischte mir die
Haare vor die Augen. Einfach war es nicht aber das Schreien des Jungen setzte
uns so unter Druck, dass wir mächtig Strecke machten.
Plötzlich fiel mir auf, dass der Junge keinen Schnuller mehr
bei sich trug.: Neeeeeeeein! Wir hatten ihn verloren. Seinen Schnuller. Und er
nimmt nur diesen einen Schnuller. Den Schnuller mit einem Auto drauf. Das war
wirklich der Worstcase, in den wir uns da gebracht hatten! Umkehren unmöglich
und einfach ohne Auto-Schnuller weitermachen, auch unmöglich. Wir entschieden
uns dazu weiterzugehen und das Geweine des Jungen exakt so lange zu ertragen, bis
einer von uns den Drogerie-Markt anfahren würde, um einen neuen Auto-Schnuller
zu besorgen. (Die Zukunft zeigte, dass der Junge erstens Ausdauer hat und
zweitens das Wort „Auto-Nulli“ verdammt gut sagen kann.)
Genau in diesem Augenblick fuhr eine Freundin in ihrem Auto an
uns vorbei, sie winkte freundlich:
Ich: eine Hand an der Leine des Hundes, eine Hand am Bein
der Tochter. 90 % meiner Haare und dazu noch eine Hand der Tochter im Gesicht,
schreien in den Ohren, ein womöglich genervter Gesichtsausdruck.
An die Freundin die vorbeifuhr, lass dir gesagt sein:
Ich wollte zurückwinken, ich habe es nur irgendwie nicht
rechtzeitig geschafft. 😊