Freitag, 26. Juni 2020

Ich mache alles anders...




Und wieder sind wir an einem Punkt, an dem ich mir wohl zum hundertsten Mal eingestehen muss, dass mein kinderloses Ich, viel schlimmer, mein kinderloses Erzieherinnen- Ich echt nicht ganz dicht war. Man kann es gar nicht in Worte fassen, wie häufig ich (kinderlos und dumm) bei der Betrachtung all der sich mühe gebenden erziehenden Menschen dachte:
„Wenn ich mal Kinder habe, mache ich das ganz anders!“
Manchmal hab ich sogar besserwisserisch (und wie ich jetzt weiß, unwissend) geschmunzelt und mich überlegen gefühlt, weil ich mir sicher war: „Das kriege ich besser hin!“
Jetzt rückblickend betrachtet, schäme ich mich für jene Gedanken, … denn wie man nun ahnen kann, als aufmerksamer Leser:
Ich kriege es nicht besser hin. Oft ist meine Art der Erziehung einfach nur Schadensbegrenzung und hat nichts mehr mit idealistischer Pädagogik zu tun.

Schadensbegrenzung wenn Kinder mit Süßigkeiten bestochen werden, damit sie endlich aufhören im Supermarkt alles zusammenzubrüllen,

Schadensbegrenzung, wenn der Fernseher dann doch mal länger herhalten muss, als gedacht, ( Mein kinderloses Ich war sich übrigens sicher, dass die Kinder nicht vor dem 8. Lebensjahr fernsehen würden)

Schadensbegrenzung, wenn es Nutellabrot , oder jeden Tag Pommes zu Essen gibt, weil einfach alles andere verweigert wird. ( Ernährung? Erziehungssache! Nutella? NIEMALS….. dachte ich), 

Schadensbegrenzung, wenn ein völlig sinnloses Spielzeug gleich zweimal gekauft wird, obwohl schon der Kauf von einem derart sinnlos ist, dass es nicht in Worte zu fassen ist.

Die Liste ist wohl endlos. Tja. Vieles ist dann eben doch anders, als man sich es ausgemalt hatte.
Und der Hauptpunkt, der mir wie ein Brett an den Kopf gehauen wird, ist folgender:
Wenn wir in der Geschichte zehn Jahre zurück gehen…. denke ich daran, wie ich, als junge, ausgebildete Erzieherin meinem Job nachging. Und da gab es ganz viele unterschiedliche Elterntypen. Und wie ein Elterntyp wollte ich nie nie nie nie nie sein! Der ANSTRENGENDE Elterntyp. Der anstrengende Elterntyp fragt jeden Tag, wie es am Vormittag mit dem Kind gelaufen ist. Er verlangt eine genaue Analyse. Was hat das Kind gespielt, mit wem? War es zur Toilette? Hat es gut gegessen? War es glücklich? Hat es nach Mama gefragt?
Puhhh. Wie lästig. Ich habe die Fragen immer gerne beantwortet, aber ich habe mich immer gefragt , was da los ist?! Warum können die ihr Kind denn nicht loslassen?! Wenn irgendwas Wichtiges gewesen wäre, ja dann … hätten wir schon angerufen. Ich habe das ganze als Kontrollzwang empfunden. Der anstrengende Elterntyp war meiner Meinung nach nicht in der Lage das Kind ziehen-und groß werden zu lassen!
Unfassbar! Wie kann man nur? Ist ja fast Kindeswohlgefährdung. Pffffffffff!
Und jetzt kommt es. Heute fiel es mir wie Schuppen von den Augen… Achtung Trommelwirbel…..
Auch wenn ich es mir geschworen habe: SO WERDE ICH NIE!............
ICH BIN EINE ANSTRENGENDE MUTTER! Liebe Erzieherinnen meiner Kinder: Es tut mir Leid.
Wie konnte das passieren!? Ich weiß es auch nicht… aber es ist so.
Kurze Geschichte dazu: Heute sollte es für den kleinen Mann nach den Corona- Monaten wieder losgehen. Er sollte und ja, zu meinem Erstaunen, er wollte wieder in die Krippe. Also brachte ich ihn hin. Er gab mir einen dicken Kuss, rannte zur Tür und rief: „Aufmachen, lass mich rein.“ Da ging er nun … und ich stand da. Im ersten Moment war ich stolz, doch dann packte mich eine tiefe Trauer. Mein kleines Baby wird groß. Und jetzt schreibe ich einen Satz für den mein kinderloses Ich….mich steinigen würde:
Als ich zu Hause ankam, weinte ich . Und zwar nicht nur ein bisschen! So richtig. Wahrscheinlich 5 Liter. Oder 20. Ich war tottraurig. Seit Monaten habe ich diesen Jungen bei mir. Jede Sekunde. Diese Corona-Zeit hat uns die Zeit einfach noch mehr nutzen gelernt. Und nu? Ist er nicht mehr bei mir und ich habe keinen blassen Schimmer, was er den ganzen Vormittag tut. Ich weiß nicht, wie es ihm geht und ob er alles hinbekommt. Das ist ein blödes Gefühl. Und als ich also mittags wieder hinfahre, um ihn zu holen…, will ich alles ganz genau wissen. Ich frage eine Erzieherin , wie der Vormittag lief. Ich bekomme eine kurze knappe Antwort… und stelle fest: OH mein Gott. Ich drehe durch! Bitte verleiht mir einen Orden für die anstrengendste Mutter auf Erden, aaaaaaber mir reicht diese Info nicht.
Was mache ich also: Ich frage die nächste Erzieherin und klaue ihr bestimmt 10 Minuten ihrer wertvollen Zeit, damit sie mir einen genauen Lagebericht gibt. Danach bin ich zufrieden.  Also … einerseits. Zwar weiß ich nun, wie es meinem Nicht-mehr-Baby ergangen ist…. Aber ich weiß nun auch mit ziemlicher Sicherheit, dass ich zur Kategorie: „Anstrengend“ gehöre. Wie unangenehm.

Wieder etwas was ich niemals wollte. Man darf gespannt sein, wie das mit mir und meiner Erziehung noch endet…. Und ob mein kinderloses Ich sich derweil einen Strick nimmt.