Situation 1:
Wie jede Woche ist mein Vorhaben zum
Sport zu gehen ein spannendes Unterfangen.
Die Chance, dass meine Tochter meine
Abwesenheit akzeptiert oder gar gutheißen kann, liegt genau bei 50 %
. Es ist jedes Mal ein Abwägen mit Fingerspitzengefühl, ob ich
sie zuvor darauf vorbereite, dass ich bald das Haus (ALLEINE)
verlasse, oder ob ich darauf lieber verzichte und direkt mit der
Hau-Ruck-Methode ohne Rücksicht auf Verluste aus dem Haus stürme.
Dieses Mal konnte ich die Situation
nicht einschätzen und versuchte einen Mittelweg. Bedeutete: Heimlich
fertig machen und Sachen packen und dann in einer netten Rede eine
hoffentlich nette Verabschiedung aufs Parkett legen.
Der Plan war gut. Die Umsetzung Mist:
Die Tochter spielte mit bester Laune
draußen. Ich ging heimlich rein und suchte in der oberen Etage meine
Sachen zusammen. Mit den Klamotten unter dem Arm ging es die Treppe
wieder runter und mit weit aufgerissenen Augen starrte mich ein
kleines Mädchen entsetzt an! Sie musste auf Toilette und war deshalb
ins Haus gegangen , um mich auf frischer Tat zu ertappen. Auch ich
riss meine Augen weit auf und war gespannt, was nun passieren würde.
Ich sagte es bereits: 50 /50 !
Drama oder Akzeptanz.
Und sie entschied sich
füüüüüüüüüüüüüüüüüüür: DRAMA!
Mit empörter Stimme und bissiger Zunge
, ähnlich wie bei einem Polizeiverhör, entgegnete sie mir: „Warum
holst du dir andere Klamotten von oben?“
Tja, warum. Was antwortet man da?
Mit herabgesenktem Kopf sagte ich
leise, ängstlich vor dem was nun kommen würde: „Weil ich gleich
zum Sport gehe!“
3, 2, 1, …........Action!
„Wähhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh,
ahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh, neeeeeeeeeeeeeeeeeeein, biiiiiiiiiiiiitte
nicht!“
Und so weiter und so fort. Es folgten
Diskussionen , in den Arm nehmen , Versprechungen, all das. Doch es half
nichts. Das Mädchen war am Boden zerstört. Sie weinte und machte
mir klar, dass mein Ausflug zum Sport in diesem Moment für sie
bedeutete, dass ich sie für immer verlasse. Klingt hart, schien aber
ihre verschobene Realität zu sein .
In meinem Arm setzte sie dann noch die
höchste Mutter-Kind-Karte, die sie besaß. Eine Karte, die direkt
ins Herz traf:
„ Mama, bitte bleib bei mir!
Versprich mir, dass du nicht zum Sport gehst. Ich brauche dich!“
Was soll man da sagen , als Mutter?
Ich habe ….. gelogen.
Nicht gut, gar nicht gut, aber in der
Situation für mich unumgänglich.
Ich habe ihr gesagt, dass ich den Sport
absage. Dann habe ich sie ins Bett gebracht und klammheimlich das
Haus verlassen.
Situation 2 ( gleiche Woche, gleiches
Kind......)
Anlässlich des Ehrentages der Väter,
besuchten wir meinen Vater. Zu Besuch war ebenfalls eine sehr gute
Freundin meiner Mutter. Das kleine Mädchen kennt diese Frau gut und
mag sie gerne. Allerdings war das letzte Aufeinandertreffen
sicherlich ein halbes Jahr her. (Was immerhin ein Sechstel ihrer
Lebens ist). Als alle im Inbegriff waren zu gehen, ließ die Tochter
verlauten, dass sie nicht Heim gehen möchte. Die besagte Freundin
meiner Mutter sagte ( wohl eher spaßeshalber) , ob das Mädchen ,
wenn es denn nicht Heim gehen wolle, bei ihr übernachten wolle.....
Diese Aussage, brachte zum Erstaunen
aller Beteiligten eine solche Begeisterung, ja fast schon Euphorie
hervor, dass das Mädchen sich nicht mehr von dieser Idee abbringen
ließ.
Ich wiederhole nochmal, gleiches
Mädchen wie in Situation 1!!!Sie sitzt diesmal bei mir auf dem Arm
und sagt folgende Worte: „Mama, ich möchte so gern bei ihr
schlafen. Du musst wirklich nicht traurig sein , dass ich dich
alleine lasse. Morgen früh darfst du mich schon wieder abholen! Das
schaffst du.“
Wieder spielte sie eine Karte aus, bei
der meine Reaktion klar sein musste. Ich bejahte ihr Vorhaben und war
begeistert von ihrer mutigen, selbstbewussten Art.
…......
Am Mittwoch muss ich wieder zum Sport
und ich weiß jetzt schon , dass die Chance wieder 50/50 steht. Doch
da müssen wir alle durch.
Feststeht doch, dass eben nichts
feststeht. Es gibt wohl nichts ambivalenteres als ein Kind in diesem
Alter. Man weiß einfach nicht, welche Version man wann bekommt und
das ist sehr schwierig und fordert viel Fingerspitzengefühl und
Geduld. Aber ein Gutes hat das Ganze auf jeden Fall:
Es ist und bleibt spannend :D
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