Die Beziehung, welche man als Mutter zum
Kinderarzt aufbaut, ist schon eine besondere..... Schlimm genug, dass
ich hier von Beziehung spreche....
So will man doch Ärzte generell
eigentlich nicht sehen und versucht ein Aufeinandertreffen möglichst
zu umgehen. Tja, wenn man Kinder hat, ändert sich das alles ein
wenig denn 1. zwingt einen der Staat zu Vorsorgeuntersuchungen, da
kann man nichts machen und 2. sind Kinder ständig krank. Da kann man
auch nichts machen.
Da gibt es natürlich unterschiedliche
Arten von Müttern... die einen gehen bei jedem Husten des
Sprösslings zum Arzt, die anderen halt eben nicht. Ich gehöre zur
zweiten Kategorie und stehe dazu. Ich fühle mich wie die geborene
Fast-Ärztin und so glaube ich lange vor dem Arzt zu wissen was meine
Kinder haben … und gehe erst dann zum Arzt, wenn meine
Fast-Ärztin-Kompetenzen eben irgendwie wunderlicherweise doch nicht
so hoch sind. Das ist natürlich manchmal nicht so klug, aber in
Anbetracht der Wartezeit bei Kinderärzten, werde ich genau so weiter
verfahren. Ich hasse warten! Ich hasse warten mit Kleinkind!Warum bei
Kinderärzten lange gewartet wird , erklärt sich von selbst. 1.Die
Sache mit den Vorsorgeuntersuchungen,.... das dauert.2. Diese
ständige Impferei. 3. Kinder sind ständig krank! 4. Mütter der
Kategorie 1 meinen , dass ihre Kinder krank sind und halten es für
sehr sinnvoll, die Zeit des Arztes (und der wartenden
Bevölkerung)quasi täglich in Anspruch zu nehmen. Diese Mütter
haben übrigens so eine enge Beziehung zum Arzt, ….sie duzen ihn.
Wenn ich jemals den Kinderarzt duze, ist es wohl an der Zeit, dass
ich meinen Mutterjob an den Nagel hänge.
Wie dem auch sei: Heute früh war es
(mal wieder) so weit! Lange, wirklich lange hab ich es
hinausgezögert. Aber nun musste es sein . Da ich ja eine kompetente
Fast-Ärztin bin , wusste ich bereits was der Junge hat, ich brauchte
nur ein Rezept für die entsprechende Salbe. Dachte ich mir so.
Nun ist es so : Kinder die einen
Hautausschlag etc. haben, dürfen nicht im Wartezimmer warten. Sie
warten im Labor/Infektzimmer. Das ist die Hölle. Ich vergleiche
diesen Raum mit einer Folterkammer. Da kann man froh sein , wenn man
lebend wieder rauskommt.Man ist eingesperrt mit seinem (Klein-)Kind
auf ca. 8 qm und das manchmal für Stunden. Ohne Spielzeug, ohne
Tageslicht, ohne Luft. DIEEEEE HÖLLE.
Nach dem letzten Mund-Hand-Fuß-Trip
mit dem Sohn...... habe ich mir nach zwei Stunden Wartezeit mit
fieberndem Kind und schwitzendem Ich , geschworen nie , nie nie nie
wieder in diesem Raum zu warten. Ich würde in Zukunft gewisse
Hautausschläge einfach verschweigen, um einfach in Ruhe im
Wartezimmer warten zu dürfen.
Pustekuchen.
Ich rief also heute Morgen an.
Dummerweise war ich auf die logische
Frage „Was hat der Kleine denn?“, nicht gefasst gewesen. Wirklich
dumm.
Im Hinterkopf schwirrte die Hölle
umher und ich stammelte: „Ja, ähh, also....Er hat ein Problem mit
der Sonne.“ (das war gut, dachte ich )
„Waren sie damit schon hier? Wissen
sie, dass es ein Problem mit der Sonne ist?“ wollte die Frau am
Telefon wissen.(natürlich weiß ich das! Ich bin Fast-Ärztin!Blöde
Frage)
„Nein , ich will deswegen ja heute
kommen! Aber ich bin mir sicher, dass es von der Sonne ist“,
entgegnete ich. ( Sehr gut. Nichts von AUSSCHLAG und starkem JUCKREIZ
erwähnt)
„Wie äußert sich denn sein
Problem?“, fragte sie. (Mist)
„Er hat Rötungen am Kopf“, war
meine gute Antwort. ( Rötungen sind kein Ausschlag und auch das Wort
„Punkte“ ist extra nicht gefallen. Punkte bedeuten auch
Folterkammer. Das hab ich schon gelernt.)
Die Antwort: „Okay. Ja, dann kommen
sie doch um 11.30 Uhr. Da es sich bei ihrem Sohn um einen Ausschlag
handelt, müssen sie dann im Infektraum warten.“ ( Neeeeeeeeein! So
ein Mist. Nicht Ausschlag, Rötungen!)
„Aber es ist ja nichts Ansteckendes,
es kommt ja von der Sonne“, behauptete ich.
„Das wissen wir ja zum jetzigen
Zeitpunkt noch nicht“,behauptete sie. ( ich wiederhole mich nur
ungern..... aber ich weiß es !!!!!)
Nun denn . Mit wirklich wirklich
schlechter Laune machte ich mich mit dem kleinen Kerl auf den Weg zum
Arzt. Begrüßung am Tresen. Wir werden gebeten im Labor/Infektzimmer
Platz zu nehmen. Der Junge sieht das Zimmer, bleibt im Türrahmen
stehen und beginnt zu schreien.
Ja , mein Kind.... mir passt das auch
nicht. Es ist für uns beide Folter. Aber das interessiert ja gerade
nicht. Auf dem Schild Labor/Infektzimmer ist eine kleine lachende
Bazille abgebildet. Ich glaube sie soll freundlich wirken. Oder lacht
sie einfach nur jeden Menschen aus, der diesen Raum betreten muss?
Mein Blick trübt sich , als ich gesenkten Hauptes den Raum betrete ,
um dann hinter uns die Tür zu verschließen. Für Minuten, für
Stunden, für Tage, -..... es ist ungewiss. Es ist die Hölle.
Ich halte den Jungen stets bei Laune .
Singen, klatschen, hüpfen, was man eben so macht.... ohne Spielzeug
auf 8 Quadratmetern. Man gibt alles und alles reicht nicht. Er legt
sich platt auf den Boden und weint. Ich denke mir.... , wie viele
Krankheiten er sich nun wohl holen wird, wenn er sich in einem
Infektraum WEGEN HARMLOSEN RÖTUNGEN DURCH DIE SONNE , mit dem
Gesicht auf den Boden legt. Ahhhh! Mir wird schlecht und dennoch .
Ich weiß keinen Rat.
Plötzlich geschieht etwas naja....
eigentlich unangenehmes , doch ich freu mich . Ein kurzer Lichtblick.
Der Junge hat sein Geschäft in die Windel gemacht. Sehr gut. Ich
öffne frohen Mutes die Tür und gebe Bescheid, dass ich den Jungen
eben wickeln muss.
Lachend verlassen wir den Raum!
Die Praxis ist noch recht neu. Alles
wurde eigens für diese Kinderarztpraxis gebaut und beim Betreten des
Wickelraums wird mir ein großer Fehler bewusst. (Leider zu spät).
Ich stelle fest, dass die Toilette ca.
20 qm umfasst. Der Wickelbereich beschränkt sich auf ein Zehntel
davon . Der Wickeltisch ist so verschwindend klein, dass nur ein
Säugling Platz darauf findet. An Ablegeflächen mangelt es komplett.
Was mach ich , als geschickte (oder auch nicht) Mutter? Ich beginne
damit den Jungen auszuziehen..... Da er , wie schon erwähnt , kaum
auf den Wickeltisch passt, haut er sich den Kopf an der Wand an und
schreit. Das ist ärgerlich . Kinderschreien versetzt Mütter in
Stress. Da ich Nirgends etwas ablegen kann, schnappe ich die
komplette Kleidung ( bis auf die Socken ) des Jungen und lege sie
hinter mich ins Waschbecken. Ich beginne zu wickeln und stelle fest,
dass der Wasserhahn des Waschbeckens einen Bewegungssensor hat und
die komplette Kleidung gerade einen Waschgang im Waschbecken macht.
Das ist ärgerlich. So ärgerlich , dass ich noch mehr in Stress
gerate (das Kind schreit noch ) . Ich schnappe die durchtränkten
Sachen, pfeffre sie voller Wut auf den Boden und brülle . „So eine
verdammte Scheiße.“. Dann erschrecke ich vor mir selber, erobere
mein Grinsen zurück und frage mich , ob die Arztpraxis in Anbetracht
der seltsamen Geräuschkulisse aus dem Wickelraum bereits das
Jugendamt informiert hat. Ich muss lachen. Als „kompetente“Mutter
habe ich natürlich keine Wechselkleidung dabei. Nach dem Wickeln
stapft mein kleiner Mann also auf Pampers und Socken durch die
Praxis. Erst ist er frohen Mutes, doch als ich ihm sage, dass wir
zurück ins Labor müssen, rastet er aus. Er rennt zur Ausgangstür
und klopft daran. So steht er da, nur auf Pampers und Socken und
klopft verzweifelt an der Scheibe. „Hilfe, Hilfe. Holt mich hier
raus“, wird er gedacht haben. Ich kann ihn so gut verstehen. Durch
die Tür sehen wir unser Auto in der Sonne stehen. Wir werden beide
wehmütig. Die Freiheit ist so nah und doch so fern. Er weint. Ich
natürlich nicht. Ich lache, über uns. Ich nehme ihn schließlich
gegen seinen Willen auf den Arm und trage ihn unter Protest zurück
in die Kammer. Da warten wir also wieder. Minuten , Stunden, Jahre.
Wer weiß das schon ?
Als der Arzt schließlich nach nur 70
Minuten reinkommt, sitzt der kleine Mann wie Buddha in seiner
Pampers, mit seinen Socken mitten im Raum. Meine Freude über den
Arzt ist in Anbetracht der Folter allerdings so groß, dass ich
zunächst völlig vergesse den nackten Zustand des Kindes zu
erklären. Er ist in dem Moment, wie der Heilige, der mich von den
Qualen erlöst und jedes Mal, wenn er den Raum betritt, weiß ich :
Die Freiheit ist zum Greifen nahe. Ein Gefühl: Unbeschreiblich.
Immerhin, mein Kind bringt den Arzt zum
Lachen. Seine Diagnose, ist übrigens wie meine und ich bekomme ein
Rezept für eine passende Salbe gegen DIE RÖTUNGEN VON DER SONNE.